< < < zurück zur Stammseite Zeitreise






Sabine Elender - Die Siebzigerjahre






Was kennzeichnete die Siebziger?

Politik:
Politisch waren die Siebziger der Beginn eines tiefgreifenden sozio-ökonomischen Strukturwandels. Hier setzte ein fundamentaler ökonomischer, gesellschaftlicher und kultureller Umbruch ein.
Es war die Dekade des politischen Protestes und des aufkommenden Engagements junger Menschen gegen gesellschaftliche Zustände.
ie 70er befanden sich in einer Entscheidungskrise zwischen sozialutopi-schen Hoffnungen und Umweltkrisen; zwischen Machbarkeitsträumen undEndzeitberechnung
14. Mai 1970: Gründung der RAF
7. Dezember 1970: Kniefall von Warschau
5. September 1972: Palästinensische Terroristen bringen elf israelische Sportler in ihre Gewalt. Beim Befreiungsversuch sterben die Geiseln, ein Polizist und fünf Araber
Ölkrise 1973
24. April 1974 wird Willy Brandts persönlicher Referent Günter Guillaume als DDR-Spion verhaftet. Der folgenden Medienkampagne ist der Kanzler nicht gewachsen und tritt zurück
Watergate-Affäre 1974
17. Februar 1975: Im badischen Wyhl kommt es zur ersten Anti-AKW-Demo
Am 17. Juli 1975 wird der spektakuläre Hamburger Kriminalfall enthüllt. Vier Morde werden Fritz Honka angelastet. Er zerstückelt seine Opfer und versteckt Leichenteile in seiner Wohnung.
1976: Die Gurtpflicht begann
RAF-Terrorismus erreichte 1977 den Höhepunkt, der "deutsche Herbst" mit Anschlägen und Entführungen: 5. September 1977 die Entführung von Hanns Martin Schleyer
13. Oktober 1977: Entführung der Lufthansamaschine "Landshut" gegen Freigabe inhaftierter RAF-Mitglieder
18. Oktober 1977: Im somalischen Mogadischu befreite die Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes GSG-9 die Geiseln
Rasterfahndung in bezug auf die RAF und der Bader-Meinhof-Gruppe
Am 19. Januar 1978 rollte im Emder VW-Werk der letzte in Deutschland produzierte Käfer vom Band. Das Kult-Auto hatte für den Standort in Ostfriesland eine enorme Bedeutung
1978/79: Extreme Schneefälle mit meterhohen Verwehungen führten im Winter 1978/79 zu einer Schneekatastrophe. Dörfer waren von der Außenwelt abgeschnitten, Häfen froren zu.
Nahostkonflikt 1978/79
Juni 1979: US-Präsident Carter und Generalsekretär Leonid Breschnew unterzeichneten in Wien das SALT-II-Abkommen über die Begrenzung strategischer Waffen
Friedens- und Anti-Atomkraftbewegung
12. Dezember 1979: Nato Doppelbeschluss - der Westen drängte die Russen zur Abrüstung der Mittelstreckenraketen
Die Diktaturen in Griechenland, Chile und Portugal fielen
Weitere Themen: Fahrverbot, Demonstrationen, Straßenkämpfe und Hausbesetzungen, das Wettrennen zum Mond, "Atomkraft? Nein danke!"


Gesellschaft und Ticks:
In Kürze: Bhagwan, Hare-Krishna-Sekte, Slime, Prilblumen, Seife FA, Brisk, Peace-Zeichen, Colani, Andy Warhol, Playmobil, Plastikschalensitze
Der Kunststoff erlebte den Durchbruch
Die Siebziger gelten als der Beginn der Flohmärkte, die Dachböden werden leergeräumt, Altes soll weg

Mode:
Vorherige Grenzen und Konvention enentfielen und erlaubt war was gefiel. Egal ob grelle Farben, bunt gemixt, wild gemustert, kurz und knapp, eng oder lang und lässig, genaue Regeln gab es in den 70ern nicht.
Großer Beliebtheit erfreuten sich vor allem auffällige Accessoires, wie beispielsweise riesige Krawatten, Reverse, Trompetenärmel, Kragen und Manschetten. Die Farbe Orange und der Stoff Cord. Aber auch traditionelle Blümchenstickerei und Häkeloptik, waren plötzlich wieder modern. Lange Haare, Plateauschuhe, Schlaghosen, Hot Pants, Lederjacken, Jesuslatschen - bunt, leicht - Flower-Power
Von indischen Kleidern, über den Cowboylook, bis hin zur Schlaghose mit Blumenstickerei, der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Aus der freien, regellosen Hippiemode, wurde schnell ein Lebensgefühl, welches genauso grenzenlos und tolerant, wie seine Mode, war.

Musik:
Die Musik aus den 1970er Jahre war ein Mix aus vielen verschiedenen Genre, die in diesem Jahrzehnt um die Vormachtstellung kämpften. Songs von AC/DC (Highway To Hell), Bruce Springsteen (Born To Run) oder Led Zeppelin (Stairway To Heven) machten Rock zu einem der größten Genre in den 70er.
Im Pop-Bereich startet die schwedische Popgruppe ABBA einen unvergleichbaren Aufstieg und zählte bereits während ihrer aktiven Zeit zu den kommerziell erfolgreichsten Musikkünstlern weltweit.
Mit Saturday Night Fever mit John Travolta und der Musik der BEE-GEES brach das Discofieber aus. Glitzernde Discokugeln, weiße Anzüge und Songs, zu denen man einfach Tanzen musste
Michael Jackson startete in den 70er Jahre seine unvergessliche Solo-Karriere und viele weitere farbige Künstler brachten Soul-, Funk- und Disco-Rhythmen in die Musikcharts. 1976 begann die Punkbewegung und brachte u. a. den 70er-Hit „God Save The Queen“ von den „Sex Pistols“ in die heimischen Wohnzimmer.
Weitere Stars: Queen, Pink Floyd, Fleetwood Mac, Simon & Garfunkel, George McCrae und
Farrah Fawcett, Veruschka, John Travolta




MEINE Siebziger:





Anfang 1971 hatte ich auf eine Magersucht zugesteuert und wog in meinen leichtesten Zeiten 43 kg. Davon gibt es keine Fotos, erst ab 48 kg. Auf dem Gym war das damals ein häufig zu beobachtendes Phänomen, so als wollten sich die jungen Frauen auf diese Art von allem und jedem distanzieren und ihr eigenes Bild dem Körper aufzwingen. Erst heute weiß man, dass das nicht ganz ungefährlich und im Wortsinne auch eine Sucht ist. Mit einer Schulfreundin lag ich im Wettstreit und ärgerte mich, dass ich sie mit ihren 38 kg nie erreichen konnte. Heute denke ich: war gut so.

Meine Eltern beobachteten das Ganze ängstlich und ließen keine Gelegenheit aus, mir Standpauken zu halten. Aber mal ehrlich - wann hat das schon bei irgendjemand mal etwas ausgerichtet? Auch der Hausarzt wusste nicht weiter, und so hatten wir einen weiteren Verzweifelten zu dem Thema. Ich merkte, dass ich nicht nur rasch abnahm, sondern mich immer weniger konzentrieren konnte und in der Schule absackte. Naja, das Abi habe ich dann doch so irgedwie hinbekommen.

Im selben Jahr kehrte nach einer kurzen Phase mit Fressanfällen die Normalität zurück. Mit einer Mitschülerin und einem Theaterabonnement lernte ich Kultur kennen (oder bei AIDA das tonlose Schlafen). Lernte Schreibmaschineschreiben, Kurzschrift (hahaha) und mit einem neuen Freund das Tanzen. Damit hatte ich eine große Leidenschaft und ein quasi mitgebrachtes Können entdeckt. Es gefiel mir so sehr, dass ich mir vorstellen konnte, das Tanzen zu professionalisieren. Leider kam was dazwischen. Meine Eltern. Punkt aus.














Ich lernte, zu fotografieren.
Was hieß, ich brachte mir das Meiste selbst bei. Hin und wieder besuchte ich einen Fotokurs, in dem wir unsere SchwarzWeiss-Fotos selbst entwickeln und Abzüge machen konnten. Da war ich total in meinem Element und konnte vieles direkt für meinen Leistungskurs KUNST erstellen. Manchmal gingen wir auf Fotospektion - Motivsuche, dann nahm ich schon mal die Filmkamera meines Vaters mit. Mein Platz war eindeutig hinter der Kamera, aber es gab auch Ausnahmen, denn ich posierte gern.




In die Siebzigerjahre fiel meine Jugend, das bedeutete damals wie heute: Sich entdecken, sich schminken (egal wie schräg), stundenlang Klamotten probieren. Identitätsfindung eben. Ich habe eine Zeitlang gemodelt, bei dem Textileinzelhandelsgeschäft Hettlage & Lampe (HELA). Zuerst im Schaufenster (das war damals eine Novität und hat eine Menge Zuschauer angelockt), dann auf dem 3Meilen-Schiff "Alte Liebe" der HADAG Hamburg und im Hotel "Maritim". So konnte ich auf ideale Weise meine Modelust mit dem Geldverdienen verbinden.


Klassenfeste, Schulstreiche, alles nicht so reichlich bei mir, ich war nicht gerade die Stimmungskanone.
Aber am Ende des Jahrzehnts hatte ich den Führerschein, bestand das Abi, begann nahtlos eine Berufsausbildung, hatte etliche Prüfungen vor der Brust, überstand Versetzungen und war am Ende Handelsassistentin, kurz darauf (1980) Abteilungsleiterin und Einkäuferin. Aber vorher ein Blick auf den Preis dafür:




ABI 76 - und dann?



Im Anschluss ans Abitur ohne Auslandsjahr oder Weltreise in den kaufmännischen Beruf, der mich ab dann in Deutschland rotieren ließ. Den Beruf wählte ich nicht selbst. Was nützten mir nun die Einser in Kunst und Russisch?
Acht Umzüge in acht Jahren haben mich damals ein ziemliches Stück Energie gekostet. Ich lebte lange Jahre nur möbliert, in ein kuscheliges Heim konnte ich abends nicht zurückkehren, alles war nur quasi für den Moment planbar.
Freunde, Hobbies, Ausgehen, Erholen? Fehlanzeige. Mit Übereifer stürzte ich mich in den Beruf und war eigentlich froh, dass ich so früh mein eigenes Geld verdiente.



  • 1976-1978 Aus- und Weiterbildung zur Handelsassistentin, KARSTADT Kiel


  • 1978-1980 Handelsassistentin in den KARSTADT - Filialen Duisburg, Bremen und Delmenhorst


  • 1980-1985 Abteilungsleiterin und Einkäuferin der Abteilungen Foto, Uhren und Schmuck, KARSTADT Velbert


  • 1985 Substitutin der Abteilungen Foto, Uhren und Schmuck, KARSTADT Hamburger Straße


  • nach dem Umzug einige Jahre in einem privaten Kaufhaus, zuständig für die Abteilungen Uhren, Schmuck, Foto, Lederwaren




Handelsassistent/in

Ausbildung


Voraussetzung:
Allgemeine/fachgebundene Hochschulreife, Fachhochschulreife oder vergleichbarer Abschluss.

Ausbildungsdauer:
In der Regel 3 Jahre in den speziell für Abiturienten und Abiturientinnen bestimmten betrieblichen Ausbildungsgängen (darin eingeschlossen der Abschluss gemäß BBIG zur Kauffrau bzw. zum Kaufmann im Einzelhandel nach 2 Jahren).

Ausbildungsorte:
Betriebliche Ausbildung in Unternehmen des Einzelhandels, theoretische Ausbildung erfolgt teilweise außerbetrieblich, z.B. an zentralen Bildungsstätten des Einzelhandels, an beruflichen Schulen in Abiturientensonderklassen oder an Kaufmännischen Berufskollegs für Abiturienten und Abiturientinnen (in Baden-Württemberg).

Inhalt:
Unterrichtsfächer im 3. Ausbildungsjahr: Handelsbetriebslehre, Personalwesen, Mitarbeiterführung, Organisation, Rechnungswesen, Volkswirtschaftslehre, Rechtslehre, Datenverarbeitung.

Abschluss:
Vor Abschluss dieser Sonderausbildung für Abiturienten/Abiturientinnen erfolgt zunächst die Abschlussprüfung im kaufmännischen Ausbildungsbereich als externe Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer. Der erfolgreiche Abschluss dieser Prüfung ist Voraussetzung für die Zulassung zur Handelsassistentenprüfung.


Tätigkeitsbereich:

Handelsassistenten und Handelsassistentinnen können als Substituten bzw. Abteilungsleiter-Anwärter/innen die Stellvertretung der Abteilungsleitung übernehmen oder nach längerer Berufserfahrung selbst Führungspositionen als Leiter/in einer Abteilung einnehmen. Substituten unterstützen die Abteilungsleitung bei ihren Leitungs- und Führungsaufgaben.
Handelsassistenten bzw. Handelsassistentinnen sind in Fachgeschäften des Einzelhandels, in Waren- und Kaufhäusern tätig. Sie sind zuständig für den reibungslosen Warenfluss, für den Einkauf, Lagerung und Verkauf der Waren sowie aller dazu nötigen Begleitmaßnahmen (Organisation des inneren Betriebsablaufs, Verkaufsförderung, Personalführung, Rechnungswesen u.a.).

Darüber hinaus ist es möglich, die Aufgaben als Direktionsassistent/in, Einkäufer/in, Disponent/in, Organisator/in, Revisor/in, Marketingfachmann bzw. Marketingfachfrau, Verkaufsförderer bzw. Verkaufsförderin, Verkaufstrainer/in, Werbefachfrau bzw. Werbefachmann, im Personalwesen und Sozialwesen, in der Personalausbildung und -schulung oder im Finanz- und Rechnungswesen wahrzunehmen.
Aufstiegsmöglichkeiten zum Geschäftsführer bzw. zur Geschäftsführerin einer Filiale eines Kaufhauses oder zum Zentraleinkäufer bzw. zur Zentraleinkäuferin existieren. Weiterbildungen zum Handelsfachwirt bzw. zur Handelsfachwirtin, Handelsbetriebswirt/in bzw. Fachkaufmann und Fachkauffrau - Einkauf/Materialwirtschaft, Personal, Marketing sind möglich.







Ich nehme jetzt mal die Jahre 1976 bis 1986 als Jahrzehnt für ein Resümmee:

8 Umzüge in 10 Jahren - das war nicht so das, was mir gutgetan hat.
Was ich mir wünschte, schien unerreichbar: Planbarkeit und Zuverlässigkeit. Wie gern hätte ich mir Möbel ausgesucht, um wenigstens in etwas Vertrautes in der Ferne abends nach "Hause" zu kommen. Stattdessen jahrelang lieblos möblierte Zimmer, in die zu investieren sich für ein paar unsichere Monate nicht lohnte. Den Vogel schoss dabei gleich mein erster Versetzungsort ab:
Inseriert war ein hübsches möbliertes Zimmer im 1. Geschoss mit Gartenbenutzung. Als ich einziehen wollte, stellte sich heraus, dass das bereits vermietet war und für mich nur die Souterrainwohnung blieb. Eindeutig Keller, feucht, mit Spinnenbesuch, Überflutungsgefahr und als einzige Heizung ein Wärmestrahler an der Wand, die schon angekokelt war. Ich bin bis heute fassungslos, wie man so etwas vermieten kann.

Wie SEHR mich das alles gestresst hatte, wurde Jahre später deutlich: Ich hatte sehr viel (Kraft)-Pulver verschossen, um das Ganze mitmachen und aushalten zu können. Es fühlte sich an, als seien wichtige Schutzschichten (der Seele) abgerieben und hätten genährt und aufgefüllt werden sollen. Das aber war nicht mein Ding: Schlappmachen gab es für mich nicht, ich verlangte von mir, unbedingt durchzuhalten und wurde darin auch von der Außenwelt bestätigt. Funktionieren müssen galt schon damals. Doppelt schwer fiel es mir, da ich gegen meine Neigungen anarbeiten musste: Ich hasste meinen Beruf, den ich mir vor Jahren nicht selbst ausgesucht hatte. Schlimmer noch, ich verabscheute mich für meine damalige Schwäche, dem zugestimmt zu haben. Und das alles fraß Kraft ohne Ende. Die Folgen zeigten sich Mitte der Neunzigerjahre, als nichts mehr ging.


Seitenanfang

© Copyright und sämtliche Nutzungsrechte: Sabine Elender.   Webdesign: Sabine Elender
Vervielfältigung, auch für private Zwecke, nur mit meiner ausdrücklichen Zustimmung

HOME