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Meine Oma





  • Meine Oma wurde am 28.08.1888 in Weinberge, Kreis Neustettin geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie am idyllisch gelegenen Kämmerer See. Am 04.11.1913 heiratete sie den Landwirt Hermann Bärwald und zog zu ihm auf dessen Hof in Schmalzenthin, Kreis Neustettin.

  • Meine Oma, die sich liebevoll um mich kümmerte, wohnte bei uns in dem kleinen Zimmer, das später, als sie zu ihrem anderen Sohn zog, meines wurde. Ich habe meine Oma sehr geliebt und sie liebte mich ebenfalls bedingungslos. Sie war mein Schutzort, bei ihr war ich sicher, das wusste ich.
    Sie war sehr gläubig, absolut bibeltreu, was bedeutete, dass sie regelmäßig Bibelkreise veranstaltete. Zu diesem Zweck lud sie ihre Betschwestern - nicht selten ein Dutzend - in die von drei Generationen bewohnte Wohnung, ein.

    Beten, Rezitieren, Lamentieren über das "Ende der Welt" führten zu extremen Spannungen in unserer Familie. Allerdings hatte ich meine Oma meistens für mich - wenn sie denn nicht auf Reisen war, zum missionieren. Sie las mir vor, das heißt, ich bettelte sie an, mir vorzulesen. Ich war ungeheuer munter und wissbegierig. Sie las mir also aus der Bibel vor. Immer und immer wieder dasselbe. Kinder werden dabei ja nie müde, so scheint es. Meine Oma dagegen schon, sie war zu dem Zeitpunkt bereits 72 Jahre alt.

    Später wurde ich dann in die Bibelstunde in unserer Kirche geschickt. Mir gefiel es dort nicht. Ich blieb auch nicht lange.

    Solange sie bei uns wohnte, war sie voll religiösem Fanatismus und Weltuntergangsphantasien, gespeist vom Missionswerk Werner Heukelbach:
    "Kind, versündige Dich nicht!!!" - sowie: "Sei und bleibe Deinen Eltern eine Freude, dazu suche Dir 2. Moses Vers 12 und prüfe allezeit Deinen Wirkungskreis, ob Du zu Gott und Deinen lieben Eltern damit Freude bereitest."
    Düstere Bilder zeichnet sie. Von Versündigung und Weltuntergang.
    Aber je älter ich wurde, desto weniger konnte ich damit anfangen, es ängstigte mich zusätzlich zu den Ängsten, die von meiner Mutter kamen. Davor konnte auch sie mich leider nicht schützen.



    Als ich 12 Jahre alt war, bekam ich ihr Zimmer, das war also mein erstes eigenes Zimmer. Meine Oma war zu ihrem zweiten Sohn ins Rheinland gezogen. Dort war das Klima wärmer und milder im Gegensatz zu dem oft rauen norddeutschen Wetter. Hatte sie bisher in jedem Winter eine langwierige Bronchitis ausstehen müssen, war sie nun beschwerdefrei und wie verwandelt. Sie fühlte sich dort wohl. Sie bewohnte in dem Haus dort ein größeres Zimmer, musste sich allerdings mit einem komplett anderen Tagesablauf arrangieren, denn mein Onkel und meine Tante besaßen eine Kneipe. Aber sie kam gut damit zurecht und reiste zu ihren Bekannten, die nun für sie schneller erreichbar geworden waren. Der Wermutstropfen: Ich fehlte ihr sehr.

    Ich war inzwischen voll in der Pubertät und hatte ganz andere Probleme als meine Oma zu vermissen. Mindestens einmal im Jahr fuhr mein Vater mit uns die weite Strecke, um seine Mutter für ein paar Tage zu besuchen. Ich erinnere noch, dass wir ins Hotel mussten, obwohl das Haus sehr groß war. Das, was wir mitbrachten (Fassweise Heringe, Sprotten, Aale, Pralinen, Sekt, Wäsche und Bekleidung für Oma undnochsovielmehr...) nahmen sie allerdings sehr gern.
    Die Sache mit der Kneipe war schon ungünstig und ein Kommunikationshindernis. Dort mussten sie ihren Job machen, wir konnten also nicht mit dorthin, und der halbe nächste Tag ging mit Ausschlafen drauf. Also ging es schon im Nachmittag los mit zusammenhocken, klönen, rauchen, Schnäpschen hier und Schnäpschen dort. Eine reine Freude waren diese Fahrten für mich daher nicht.





    Als mein Onkel in Andernach 1978 starb und meine Tante nicht mehr meine Oma versorgen konnte, musste eine schnelle Lösung her. Meine Eltern setzten Himmel und Hölle in Bewegung, um für Oma einen Platz in einem nahegelegenen Altenheim zu bekommen. Und sie erreichten, dass meine Oma ganz in ihrer direkten Nähe ein kleines hübsches Zimmer bekam. Mein Vater holte sie nach Kiel zurück und Oma war zufrieden dort. Schließlich hatte sie in der Umgebung lange Zeit gewohnt, und einige ihrer Bekannten lebten noch, und sie besuchte sie. Meine Oma wurde stolze 92 Jahre alt. Sie ist über Nacht zum 15. September 1980 ganz ruhig hinübergeschlafen.

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